Wollen, Können, Dürfen – Drei universelle Erfolgsfaktoren (auch für Projektmanager)

Das Projektmagazin stellt die Frage „Klassisch, agil oder egal: Ist ein guter Projektleiter mit jeder Methode erfolgreich?“. Und weiter: Was glauben Sie, was ein Projektleiter in erster Linie braucht um komplexe Projekte im Griff zu behalten? Ich meine, er/sie braucht drei Dinge: Wollen, Können und Dürfen.

Das Projektmagazin stellt hier die Frage, was Projektleiter erfolgreich macht. Diese Frage nach dem „Geheimnis des Erfolgs“ begegnet uns immer wieder – aber gerade in der Führungstheorie wird sie immer wieder gestellt. Wer Führungskraft werden will oder wird, den beschäftigt irgendwann die Frage, was Erfolg bringt und was nicht.

Projektmanager sind Führungskräfte. Sie führen Projektorganisationen. Die Frage der „richtigen Projektführung“ wird meiner Wahrnehmung nach so häufig und so intensiv diskutiert, weil Arbeit insgesamt immer häufiger in Projekten erledigt wird, es im Projektmanagement viel häufiger zu methodischen Innovationen kommt und regelmäßig neue Werkzeuge entwickelt werden.

Dabei wird die Frage häufig auf den Methodenbegriff reduziert – vermutlich weil dies der „greifbarste“ Aspekt der Führung ist. Methoden werden gelehrt, gelernt, sind dokumentiert und zertifiziert. Sie sind „da“, während viele persönliche Faktoren einer Führungskraft eher gar nicht oder nur flüchtig erkennbar sind. Wie will man auch Soft Skills belegen?

Im folgenden möchte ich zuerst zeigen, dass unser persönlicher Erfolgsfall von drei Faktoren beeinfluss wird: Wollen, Können und Dürfen. Anschließend werde ich diese Erkenntnis auf die Rolle des Projektmanagers übertragen. Zum Schluss möchte ich die Methodendiskussion im Projektmanagement kommentieren.

Was braucht es grundsätzlich um erfolgreich zu sein?

Ich möchte hier die Frage nach dem Erfolgsgeheimnis zunächst generell beantworten, da es aus meiner Sicht keine Rolle spielt, ob jemand Projekte leitet, eine Apotheke betreibt oder Brezeln verkauft. Es drei wesentliche, allgemeine Erfolgsfaktoren auf der Ebene des Individuums, die dazu beitragen ob sich Erfolg einstellt oder nicht:

Wollen, Können und Dürfen als Erfolgsfaktoren
Menschen sind dann am erfolgreichsten, wenn Wollen, Können und Dürfen „zusammenkommen“, d.h. die größte Schnittfläche bilden.
  • Wollen – Was will die Person, der eine Aufgabe übertragen wird, tatsächlich erreichen?
  • Können – Verfügt die Person über die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen?
  • Dürfen – Welche Regeln begrenzen den Spielraum der Person und erteilen die „Erlaubnis“ das zu tun, was zu tun ist.

Kernaussage: wir sind da besonders erfolgreich, wo Wollen, Können und Dürfen ihre größte Schnittfläche haben. Wenn wir nicht wollen, sind wir nicht erfolgreich. Ebenso bleibt der Erfolg aus, wenn wir nicht können oder dürfen.

Dabei gilt: Wollen „zieht“ Können und Dürfen. Soll heißen: wenn wir etwas wirklich wollen, werden wir uns die dazu erforderlichen Fähigkeiten aneignen und uns ein Umfeld suchen, in dem wir das dürfen, was wir wollen.

Das Dürfen ist dabei besonders interessant, da es eine interne und eine externe Komponente hat. Extern erteiltes Dürfen finden wir zum Beispiel in Form einer Stellenbeschreibung, die uns mit Kompetenzen ausstattet: „So, Herr Müller, ab heute sind sie Leiter Einkauf und dürfen Bestellungen bis zu 50.000 € freigeben“. Ein anderes Beispiel ist die Fahrerlaubnis, die uns andere nach einer eingehenden Schulung und Prüfung erteilen.

Aber ebenso wichtig ist das interne Dürfen: Erlauben wir uns selbst, was wir wollen und können? Oder bestimmen uns hemmende Gedankengänge nach dem Motto „Ich kann doch nicht…“? Das interne Dürfen wird uns schon in der Kindheit mitgegeben. Die Menschen, mit denen wir aufwachsen, teilen uns regelmäßig mit, welche Möglichkeiten sie für uns sehen – und das glauben wir auch erstmal. Schon früh lernen wir so, „aus dem wird nichts“ oder „du wirst später mal Bundeskanzlerin“. Eine solche interne Erlaubnis lässt sich natürlich auch identifizieren und ändern.

Auf uns selbst angewendet, können wir dieses einfache Modell nutzen, um uns selbst zu hinterfragen. Wenn der persönliche Erfolg ausbleibt, dann fehlt es an einem dieser Faktoren. Und es ist unerheblich, ob wir hier von beruflichem oder privatem Erfolg sprechen. Auch in Partnerschaft oder Kindererziehung braucht es Wollen, Können und Dürfen um Erfolg zu haben und glücklich zu sein.

Was heißt das für den Erfolg des Projektmanagers?

Projektmanager sind Führungskräfte. Daher müssen sie immer zwei Dinge führen können: sich selbst und andere (das Team). Das im vorigen Abschnitt erwähnte Modell können Projektmanager also einsetzen, um sich selbst und ihre Team-Mitglieder erfolgreicher zu machen.

Bleiben wir zunächst beim Projektmanager und seiner Selbstführung

Im vorigen Abschnitt haben Sie es sicher schon vermutet: Eine Projektmanagement-Methode ordnen wir der Ebene „Können“ zu. Das Können umfasst Fähigkeiten, Erfahrungen, Wissen und Kenntnisse, deren Anwendung im Projekt zu einem Ergebnis führt. Dabei unterscheide ich hier grob zwischen Methode und Werkzeug. PRINCE2, Six Sigma, Scrum und so weiter sind Methoden, die uns grundsätzliche Vorgehensweisen für bestimmte Projekt-Typen liefern.

Beispiel für eine Methode: Eine Abteilung registriert ein hohes Maß an Nacharbeiten und Beschwerden bei ihren Kunden. Sie wählen die Six Sigma Methode „DMAIC“ um den betroffenen Prozess zu analysieren und systematische Schwachstellen zu eliminieren. SCRUM wäre für eine solche Problemstellung eher nicht geeignet.

Werkzeuge im Projektmanagement helfen uns dabei, die typischen Alltagsprobleme eines Projekts zu lösen. Die Verantwortlichkeiten im Team sind unklar? Dann setzen Sie doch die RACI-Matrix ein. Sie müssen ihre Anforderungen formulieren? Dann schreiben Sie doch User Stories. Sie brauchen eine grafische Darstellung des geplanten Projekts und wollen gleichzeitig Abhängigkeiten sichtbar machen? Das Gantt-Chart ist ihr Freund.

Meine These: Je mehr Methoden und Werkzeuge ein Projektmanager kennt und angewendet hat, desto erfolgreicher kann er sein. Daher haben Projektmanager hat diesen Aspekt ihrer Selbstführung stets im Auge und sind bemüht, immer mehr dazu zu lernen.

Die Methoden- und Werkzeugkenntnis ist dabei nur ein Aspekt des Könnens von Projektleitern. Auch die Teamführung (weiter unten) gehört zum Fähigkeiten-Repertoire genauso wie zum Beispiel Workshop-Moderation, Stakeholder-management oder aktives Zuhören. Es gibt also vieles, was man können kann in der Rolle des Projektleiters. Nützlich ist es, wenn das Können gut zum Projektgegenstand passt.

Aber Können ist nur notwendige Bedingung und nicht hinreichend für ein gelungenes Projekt: ohne Wollen und Dürfen wird ein methodisch noch so versierter Projektmanager nicht erfolgreich sein. Er braucht den Willen, das Projekt zu führen und die vereinbarten Ergebnisse zu liefern. Und er braucht die Erlaubnis, das Projekt zu führen. Das ist übrigens ein wichtiger Grund, warum Projektmanager und Sponsor zu einem Kickoff einladen sollten – um dem Projektmanager vor dem Team die formale Erlaubnis zu erteilen, das Projekt zu leiten.

Auch die innere Erlaubnis ist hier wieder ein wichtiges Thema. Glauben Sie, dass Projektleiter grundsätzlich nur Projekte im Rahmen ihrer Fachkenntnis oder Branchenerfahrung leiten können, also nur Software-Entwicklung oder nur Brücken bauen? Erlaubt sich ein Projektmanager ein Projekt zu führen, obwohl er noch gar keine Projektmanagement-Schulung besucht hat?

Fazit I: In der Person des Projektmanagers müssen Wollen, Können und Dürfen zusammenkommen, damit das Projekt erfolgreich sein kann. Sponsoren sollten bei der Auswahl des Projektleiters alle drei Aspekte berücksichtigen und sich nicht nur auf die Methoden-Kompetenz fokussieren.

Das Team führen mit Wollen, Können und Dürfen

Projektmanager müssen das Projekt-Team führen und dabei auf dessen Wollen, Können und Dürfen achten. Idealerweise passt jedes Team-Mitglied im Projekt mit seinem Wollen, Können und Dürfen genau zum Projektauftrag.

In der Realität ist das natürlich nicht immer möglich, da auch andere Faktoren (z.B. Verfügbarkeit) zu berücksichtigen sind, wenn es um den Aufbau einer Projektorganisation geht. Und genau hier entsteht dann ein Spannungsfeld, das der Projektleiter „managen“ muss. Er kann versuchen, die Team-Mitglieder entsprechend zu beeinflussen, hier drei Beispiele:

  • Wollen: Ein Mitarbeiter „will nicht“ im Projekt teilnehmen. Der Projektleiter ergründet seine Motivation und sie identifizieren gemeinsam Aspekte im Projekt, die zum Wollen des Mitarbeiters passen.
  • Können: Ein Team-Mitglied macht Fehler beim Erstellen fachlicher Spezifikationen. Der Projektleiter organisiert ein dazu passendes Training oder Coaching durch einen Kollegen.
  • Dürfen: Ein Developer will Aufgaben im Bereich Anforderungsmanagement wahrnehmen. Der Projektleiter macht dies möglich und erlaubt dem Developer den Wechsel in die Rolle des Business Analysten.

Fazit II: Wenn Wollen, Können und Dürfen im Team zusammenkommen, kann das Projekt erfolgreich sein. In diesem Sinne macht ein erfolgreiches Team auch die Methode erfolgreich – und nicht umgekehrt.

Warum also die Methodendiskussion im Projektmanagement?

Hier nur in aller Kürze und Einfachheit: von den drei Erfolgsfaktoren Wollen, Können und Dürfen lässt sich der Bereich Können am einfachsten und besten diskutieren und bewerten. Beim Können reden wir immer über sehr konkrete und bestimmbare Dinge. Können lässt sich in Schulungen lernen und durch Zertifikate und Prädikate belegen.

Projektmanagement-Methoden sind also die „sichtbaren“ Fähigkeiten des Projektmanagers. Sie lassen sich abstrakt, losgelöst von anderen menschlichen Eigenschaften, wunderbar diskutieren. Hat der PM nun das Zertifikat oder „nur“ die praktische Erfahrung vorzuweisen? Welche Abschlussnote hat er erreicht? Ist er schon Level D oder erst Level C?

Und wenn man Projekte ebenso abstrahiert und zergliedert, z.B. in Projektgegenstand, Ziele, Risiken, Projekttyp, etc. – dann kann jetzt endlich „am Modell“ diskutiert werden: Ist Scrum in Infrastrukturprojekten eine geeignete Methode oder nicht? Ist Six Sigma DMADV besser als Design Thinking für Produktentwicklung? Dann können sich sogar jene an der Diskussion beteiligten, die gar keine praktische Erfahrung vorzuweisen haben.

Können ist also besser leichter erkennbar, beobachtbar und auch diskutierbar als die anderen Erfolgsfaktoren: Wollen und Dürfen eines Projektmanagers oder Team-Mitglieds. Hier überschneidet sich das Projektmanagement mit der Motivationslehre und dem Change Management – weswegen viele Projektmanager sich auch hier weiterbilden. So konkret und modellhaft, dass man von Methoden sprechen könnte, lassen sich Wollen und Dürfen jedoch nicht steuern (i.S.v. „wenn so, dann so“).

Wollen und (inneres) Dürfen lassen sich nicht so einfach in Frameworks, Methoden und Werkzeuge packen. Projektmanager können ihre Soft-Skills verfeinern, Coaching-Techniken, aktives Zuhören oder das Harvard-Prinzip lernen. Aber wenn diese Techniken nicht zum Wollen, Können und Dürfen des Projektmanagers passen, wird er darin nicht erfolgreich sein.

Wir merken also: Die Wahl der richtigen Projektmanagement-Methode und der Werkzeugkoffer sind notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen für gelungene Projekte. An einem guten Projektmanager und einem guten Team ist mehr dran als nur Methode. In High Performance Teams kommen Wollen, Können und Dürfen zusammen und sorgen dafür, dass die vereinbarten Ergebnisse „erfolgen“.

Am Ende bleibt das einfache Fazit: Wer sich nicht auf den „ganzen Menschen“ mit seinem Wollen, Können und Dürfen einlassen will, dem helfen alle Methoden der Welt nichts – er wird als Projektmanager nicht erfolgreich sein.

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