Ein mittelständisches Unternehmen der Entsorgungsindustrie betreibt seit ca. 10 Jahren ein SAP-System mit der Industry-Solution Waste & Recycling. Seit geraumer Zeit häufen sich Beschwerden von Anwendern und Managern über die mangelhafte Benutzerfreundlichkeit des Systems, die umständlichen Prozesse und häufige Fehler, die zu hohen Abstimmungsaufwänden und langwierigen Nacharbeiten führen.
Das Management beauftragte Stefan Schindewolf, Berater für IT- und Prozessoptimierung, mit der Analyse und Optimierung der Kernprozesse und ihrer SAP-Unterstützung. Herr Schindewolf verwendet bei diesem Projekt PRINCE2 als Projektmanagementmethode und Six Sigma Werkzeuge zur Analyse und Verbesserung der Prozesse.
Projektmanagement
Die Geschäftsleitung ernannte einen Lenkungsausschuss aus Vertretern des Top-Managements. Die Rolle der Projektleitung wurde zwischen Herrn Schindewolf und dem IT-Leiter des Unternehmens geteilt.
Für das Projekt wurden drei Phasen vereinbart: Grobkonzeptphase, Detailkonzeptphase und Umsetzungsphase. Am Ende jeder Phase wurden formale Phasenabschlüsse (inkl. Budgetentscheidungen) durchgeführt. Der Lenkungsausschuss traf sich darüber hinaus regelmäßig mit der Projektleitung um sich über alle beabsichtigten Prozess- und Systemänderungen informieren zu lassen.
Abbildung Projektzeitplan
Das Projektteam bestand aus einem Kernteam und Fachteams für jedes Arbeitspaket (insgesamt 25 Mitarbeiter). Das Kernteam (vier Vertretern der Fachabteilung und zwei IT-Mitarbeiter) erarbeitete gemeinsam das Grobkonzept und unterstützte die Fachteams in der Ausarbeitung der Detailkonzepte. Herr Schindewolf übernahm die Moderation der Team-Sitzungen und die Dokumentation aller Konzepte.
Prozessverbesserung
Gegenstand des Projekts war der Kernprozess „Auftragsabwicklung gewerblicher und kommunaler Entsorgungsaufträge“. Die Grobkonzeptphase bestand aus 3 Schritten: Schwachstellenanalyse des Ist-Prozesses, Definition von Anforderungen an den Soll-Prozess und Erstellung eines Grobkonzepts zum Erfüllen der Anforderungen und Ausräumen der identifizierten Schwachstellen.
Im ersten Schritt wurde der gesamte Prozessablauf über alle Abteilungen mit Six Sigma Werkzeugen dokumentiert. Anschließend wurden die Fehlermöglichkeiten sowie Zeit- und Ressourcenverschwendung des Kernprozesses analysiert. Eine Fehlermöglichkeiten- und Einflussanalyse (FMEA) durch das Kernteam identifizierte insgesamt etwa 130 verschiedene Fehlermöglichkeiten im Prozess. Der Aufwand für Nacharbeiten eingetretener Fehler wurde auf etwa 2 Vollzeitstellen geschätzt. Eine Verschwendungsanalyse (TIMWOOD) führte zu einer Liste mit ca. 80 redundanten Dateneingaben, unnötigen Informationsbewegungen und vermeidbaren Prozesswartezeiten.
Abbildung Fehlermöglichkeiten- und Einflussanalyse (FMEA)
Im nächsten Schritt wurden die Kernursachen identifiziert und bewertet. Dazu wurden alle Fehlermöglichkeiten und Verschwendungsformen genau hinterfragt, z.B. mit Hilfe der 5-Why-Fragetechnik.
Anschließend wurden die „wirklichen“ Anforderungen an den Geschäftsprozess messbar definiert. Dazu wurden zunächst Kundenstimmen („Voice of the customer“), gesetzliche Anforderungen und Managementvorgaben gesammelt. Diese „O-Töne“ wurden anschließend mit messbaren Erfüllungs- und Qualitätskriterien versehen.
Diese Kriterien (das „Was“) wurden in einem „House of Quality“ den zur ihre Erfüllung benötigten Unternehmensfunktionen (dem „Wie“) gegenübergestellt. Zum Beispiel braucht es für die Erfüllung der Anforderung, dass „alle Aufträge so ausgeführt werden, dass Lenk- und Ruhezeiten eingehalten werden“ eine Funktion „Transportsicherheit gewährleisten“. Das Ergebnis des House of Quality ist eine Übersicht der zur Erfüllung aller Anforderungen tatsächlich benötigten Funktionen (statt der heute existierenden gewachsenen Strukturen).
Eckdaten zum Projekt
Ziel: Optimierung der SAP- Prozesse Zeitraum: Jan ´13 bis Apr ´14 Budget: Ca. 750T Euro Projektteam: 25 Personen SAP Release: ECC 6.0 Add-On: IS Waste & Recycling |
Im nächsten Schritt identifizierte das Team Möglichkeiten, wie diese Funktionen am besten realisiert werden sollten. Eine IT-Unterstützung ist dabei nur eine von mehreren Optionen, denn manche Anforderungen lassen sich auch durch organisatorische Maßnahmen erfüllen. Aus diesen Überlegungen entstand schließlich ein neu definierter Kernprozess.
Als für das Kernteam feststand, wie der künftige Prozessablauf gestaltet werden sollte, wurde insgesamt sieben Fachteams gegründet, um die Detailanforderungen zu erarbeiten und zu dokumentieren. Jedes Fachteam war mit Vertretern von IT und Fachabteilung besetzt.
Die Arbeitspakete wurden so konzipiert, dass sie möglichst getrennt voneinander konzipiert und umgesetzt werden konnten. So wurde zum Beispiel im Juli 2013 bereits der erste Prototyp eines Arbeitspakets vorgestellt und abgenommen, während andere Fachteams noch ihre Konzepte abstimmten.
Die aktuell geschätzte Laufzeit des Projekts erstreckt sich bis etwa April 2014 inklusive aller Realisierungsmaßnahmen. Dabei wird ein schrittweises Rollout der verschiedenen Arbeitspakete angestrebt. Ähnlich einer SCRUM-Philosophie sollen Funktionen regelmäßig ausgeliefert und getestet werden. Auch die Anforderungen werden einer regelmäßigen Überprüfung unterzogen.
Als vollkommen unterschiedlich ausgerichtete Methoden ergänzen sich PRINCE2 und Six Sigma in diesem Projekt. PRINCE2 sorgt für Governance im Projekt und Six Sigma für inhaltliche Tiefe in der Anforderungsanalyse und Konzeption.